Der eigene Strich

Was ist DER EIGENE STRICH, und was nicht?

Ich habe das Buch geschrieben, weil ich mir auf dem Weg zum eigenen Stil oft genug selbst im Weg stand, indem ich versuchte, so schnell wie möglich auf einzigartig zu machen. Obwohl ich von Tuten und Blasen noch keine Ahnung hatte und die Sprache des Mediums noch nicht verstand. Ich habe das Buch geschrieben, damit andere Comicstile und ihren eigenen Weg besser verstehen und ausgestalten können. Es ist praktisch anwendbar, aber kein Zeichenlehrbuch.

Gibt es denn den „einen“ Weg zum Stil?

Natürlich gibt es nicht den *einen* Weg. Jeder  Kreative  beschreitet seine eigenen, verschwurbelten Pfade.

ABER. Ich habe die Wege vieler Zeichner nachvollzogen, die ich mag oder bewundere. Und ich fand ein Muster, das immer wiederkehrte, ein Prinzip, nach dem der Weg „vom Schüler zum Meister“ verläuft. Und dieses Prinzip, so stellte sich heraus, ist Jahrtausende alt, und ist anwendbar auf fast jede Fertigkeit, von Sportarten über Musik bis eben hin zu jeder Art von gestaltender Kunst.  Das Prinzip heißt Shu Ha Ri, und findet in Asien in den verschiedensten Disziplinen Anwendung.

Klingt schwer nach esoterischem Wasserdampf? Für mich war es ein enormer Augenöffner, ein komplett neuer Blickwinkel auf Lernen als solches, und auf Kreativität.

„Wir Künstler“ sind ein grenzenlos narzisstisches, selbstverliebtes kleines Volk, nahezu besessen von Originalität und Einzigartigkeit. Mir selbst ging es nicht anders, als ich anfing, mich ernsthafter mit Comics zu befassen. Einzigartigkeit ist uns wichtiger als fast alles andere, und das gilt besonders für die unter uns, die in ihren Zwanzigern oder später eine kreative Tätigkeit aufnehmen. Aber  was uns alle Kreativen lehren, von Shakespeare über Picasso bis hin zu Paul McCartney oder Jimi Hendrix, ist, das Kreativität nicht aus einem Vakuum entsteht. Inzwischen ist man sich überraschend einig, wie unsere kreative Maschine funktioniert: sie nimmt, was sie vorfindet, Eindrücke, Einflüsse, Techniken, nimmt sie auseinander und setzt sie neu zusammen. Aus alten Melodien entstehen neue Melodien. Und aus den Zeichenstilen anderer entstehen neue Stile. Im kurzen Klartext: nur aus Stil entsteht Stil.

Und die erste Etappe  des Shuhari, das Shu, ist die Zeit, in der wir Eindrücke sammeln, kopieren,  imitieren, nachahmen. Jack Davis hat das gemacht, Bill Sinkiewicz, Moebius und Hunderte anderer Zeichner, und auf der Grundlage des Erlernten konnten sie  ihre eigene Stimme entwickeln.

In DER EIGENE STRICH bilde ich den Weg von Schüler zum Meister als Reise ab. Eine Reise, auf die man sich vorbereitet, mit Werkzeugen und Gefährten, eine Reise, für  die man ein Ziel definiert. Und DER EIGENE STRICH soll angehenden Zeichnern ermöglichen, zu definieren, wo sie stehen, wo sie hinwollen, und ihren Weg, ihren Lernprozess, zu organisieren.

Was findest du  in DER EIGENE STRICH:

Ich definiere Stil, und stelle die Frage, ob man „einen“ Stil braucht. Antworten auf diese Fragen geben außer mir Kristina Germann, Daniel Schreiber und Marvin Clifford.

Im Abschnitt VOR DER REISE geht es um Reisevorbereitungen: wo wollen wir hin? Was sind unsere Inhalte? Was können Mentoren und Gefährten für uns tun? Was hält uns davon ab, unsere Ziele zu erreichen?

Im Abschnitt IN DEN FUSSTAPFEN ANDERER beschreibe ich, wie verschiedenste Zeichner mit ihren Einflüssen und Vorbildern umgingen. Der vielleicht wichtigste Teil des Buches steckt auch hier: eine Beschreibung, was eigentlich die Elemente eines Stils sind. Dieses Wissen hat mir ermöglicht, auf einen Stil  zu schauen und zu verstehen, was da auf dem Blatt passiert, die Formen zu sehen, den Grad der Vereinfachung und die Beziehung von Linie zur Fläche. Ich habe durch die Arbeit an diesem Buch erst gelernt, die Sprache des Zeichnens wirklich zu kapieren. Am Schluss des Kapitels beschreiben drei ZeicherInnen – Jan Suski, Daniel Schreiber und Maike Plenzke – ihren ganz persönlichen

Zur eigenen Stimme: Das HA ist die folgende Etappe, in der wir uns immer  mehr von unseren Einflüssen freischwimmen; hier beschreibe ich den Werdegang verschiedenster Zeichner,  unter anderem Ozamu Tesuka, Moebius und Flix. Ich beschreibe verschiedene  Strategien, die man auf dem Weg zu  eigenen Stimme verfolgen kann, von den Einflüssen einzelner bis hin zu einem immer weiteren Blick, dem Einfluss verschiedener Comickulturen oder kompletter Epochen. Ich schließe das Kapitel mit einer kleinen Zeitreise durch die verschiedenen Trends in der Illustration der letzten 100 Jahre.

Das Buch schließt mit Interviews mit Jan Suski, Daniel Schreiber und Flix, die ihren eigenen Werdegang beschreiben.

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>